Womit sich der Angler den Winter schön schaut…

Winterzeit ist für die meisten Angler „saure Gurken-Zeit“. Draußen ist es kalt und früh dunkel, die Fische sind träge, also keine Idealbedingungen für „Otto-Normal-Angler“. Daher boomen gerade in dieser Jahreszeit die Multimediakanäle auf Youtube und Co. Filmfestivals ziehen nun durch viele große Städte, mit Beiträgen aus fernen Ländern, in traumhaften Revieren. Angel Communitys strahlen ihre Championchip Staffeln aus, die sie meist im Vorjahr produziert haben. Sie laden zum Träumen und Schwärmen ein und sollen jedem leidenschaftlichen Angler die Wartezeit bis zur eigenen Challenge verkürzen.

Der Zuschauer taucht ein, in hochauflösende HD Bilder und stellt sich vor, selbst dort auf der Bugspitze des Bootes zu stehen, im Drill mit dem Fisch seines Lebens. In Wettbewerben Profi gegen Profi, meist aus Skandinavien oder USA, in Deutschland unvorstellbar, wird neustes Gerät und die Fanggarantie innovativer Köder präsentiert. Man fiebert mit den Teams, die meist selbst nicht wissen, wie es um die Erfolge der anderen steht, weil sie auf unterschiedlichen Gewässern unterwegs sind. Der Zuschauer hat den Gesamtüberblick und ist live dabei wenn der größte Fisch des Tages ins Netz geht oder ein Team in wahren Fangorgien einen Fisch nach dem anderen aus dem Wasser hievt.

Wenn ich Außen Stehenden davon berichte, wie die Angelszene sich in dieser Richtung entwickelt hat, dann reichen die Reaktionen von erstaunt überraschten bis verständnislosen Gesichtern. Wie kann man sich dafür begeistern, anderen dabei zu zu sehen wie sie Fische fangen? Na und dann auch noch nur so zum Spaß, weil die Fische ja auch alle wieder frei gelassen werden?

Angeln ist eben auch ein Abbild der Gesellschaft. Genauso wie es auch in anderen Lebensbereichen Entwicklungen gibt, die von den einen geschätzt und von den anderen verachtet werden. Das liegt sicherlich auch in der menschlichen Natur begründet. Sich mit anderen zu messen oder einfach nur exzessiv seine Leidenschaft ausleben ist etwas, was zu uns als soziale Wesen gehört. Und nicht immer und überall wird dabei auf die Interessen Beteiligter oder Außenstehender geachtet.

Auch das Angeln eine Männderdomäne darstellt, verstärkt diese Ansicht sicherlich. Der Trieb zum Jagen und kämpfen ist evolutionär tief in uns verankert. Das entschuldigt natürlich nicht die eine oder andere Entgleisung, ist aber sicherlich ein Auslöser für die große Leidenschaft, die wir beim Angeln erleben. Oder eben beim Anschauen von Filmen und Videos darüber. Der Begriff „Fishporn“, der auch landläufig für derartige Beiträge gewählt wird, umschreibt es sicherlich ganz treffend, welche Emotionen dabei zum Tragen kommen können. Ich selbst erlebe es ab und an auch an mir selbst, wie ich Zeit und Raum vergesse, wenn ich mir einen dieser Filme ansehe. Als Angler schaut man natürlich auch nicht nur auf die Momente in dem man einen großen Fisch gezeigt bekommt. Da wird auf die eingesetzte Technik geachtet. An der Stelle an der die eingesetzten Köder gezeigt werden wird so ein Video schon mal angehalten und groß gezoomt, um ihn genauer betrachten zu können. Wenn es möglich ist, schaut man zeitgleich online nach, wo es diesen zu kaufen gibt und was andere Experten in Foren darüber berichten. Also mehr eine interaktive Wissensvermittlung als reiner Filmgenuss, könnte man fast schon sagen.

Wenn es nicht darum geht, andere im sportlichen Wettkampf zu beobachten, sondern eher um die mit dem Angeln verbundene Natur zu präsentieren, werden ganz andere Empfindungen beim Zuschauer erzeugt.

Ist es z.B. so, dass man auf eine Reise mitgenommen wird, auf der erzählt wird, wie sich jemand auf ein noch völlig unbekanntes Revier in schier unerreichbarer Entfernung vorbereitet und der erste Fisch nach gefühlten 60min zu sehen ist, dann geht es um die Leidenschaft die einen Angler unglaubliche Dinge tun lässt.

Warum sich jemand in ein Land wagt, in dem es keine feste Straßen oder gar die Hoffnung auf zivilisierte Infrastruktur gibt. Weshalb man Tags über nur mit einer Netzhaube über dem Kopf bei 30 Grad sein Leben schützen muss, um angeln zu können. Was einen dazu bringt, bis zum Bauch in eiskaltem Wasser zu stehen und eigentlich nur damit beschäftigt ist die Ausrüstung vor dem Einfrieren zu bewahren. Wie das sein kann, in einer Menschenfeindlichen Umgebung barfuß durch schlammige Gewässer zu waten, ohne ahnen zu können, worauf und in was man dabei alles treten kann, oder schlimmer, was sich davon alles unter der Haut einnisten könnte. Wieso man sich in das Vertrauen fremder Menschen begibt, für die man schnell auch als Einkommensquelle dienen könnte. Wofür man viel Geld bezahlt, um ein Gewässer beangeln zu können, dass sich nicht nur über Ländergrenzen sondern auch über verschiedene Einflussbereiche regionaler Stammesführer schlängelt. Überhaupt, nur auf hören sagen hin einen Fluss zu beangeln, in dem angeblich der größte Süßwasserfisch der Welt lebt und dafür sogar eine mehrjährige Expedition organisiert. Warum es schön sein kann, jemandem stundenlang dabei zu zu sehen, wie er Kunstfliegen bindet oder sich die eigene Rute aufbaut. Was einem durch den Kopf schießt, wenn man einem Bären gegenübersteht, der einem seinen Fisch sreitig machen möchte. Wenn man stundenlang dabei „sitzt“ und gemeinsam mit dem Hauptdarsteller auf die Pose schaut bis diese ruckartig unter Wasser verschwindet und danach eine winzige Plötze lächelnd in die Kamera gehalten wird.

Einfach, wie es sich anfühlt, spätestens nach 5 Minuten Dauer-Gänsehaut zu spüren, sich an den Ort des Geschehens zu wünschen und sehnsüchtig darauf zu warten, endlich selbst so viel Mut aufzubringen von der Couch aufzustehen, um wenigstens ein neues Bier zu holen……

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